Mit "Eva Hin und Weg" durch die Karpaten

Die Karpaten – endlich kann ich dieses Gebirge mit all seinen Höhen und Tiefen, Straßen und Pfaden, Sagen und Klischees erkunden. Eigentlich stand eine Tour durch das gesamte Südosteuropa auf dem Plan, aber Corona… Nun, da allein schon das Wort »Rumänien« viele Augen leuchten lässt, wird das bestimmt toll werden. Der Weg in die Karpaten führt unweigerlich über den Wilbers-Stützpunkt BTB Boxertechnik Berlin, wo Josis Schutzengel Franco nicht nur den Anlasser austauscht, sondern auch Öl wechselt und Josi noch einmal auf Herz und Nieren checkt. Seit einigen Wochen fahre ich mit dem Wilbers-Fahrwerk, bin jetzt also perfekt gerüstet für alles, was kommen mag.

 


Über Görlitz, die Zittauer Berge und Prag geht es zuerst nach Süden und dann nach Osten – erste Vagabundinnen-Übernachtungen in einem Gewerbegebiet und einem verlassenen Trafo-Häuschen inklusive. Immer wieder fahre ich über Grenzen (CZ-PL-SK und auch mal hin und her), die letztlich so gar nichts bedeuten – und das ist großartig!
Regelmäßig stoße ich auf Spuren der sozialistisch-militärischen Vergangenheit – sei es bei dem Typen, der Touristen 15 Minuten in seinem Panzer durch ein Naturschutzgebiet fährt, sei es am Autofriedhof, auf dem auch ausrangierte, verrostete Schnellboote liegen. Und angeblich darf ich nichts davon fotografieren – ich werde tatsächlich gebeten, gemachte Bilder zu löschen und schnell weiterzufahren.

 


Nach einigen Tagen erreiche ich in der Slowakei endlich die Karpaten. Die Hohe Tatra ist ein Teil von ihnen, hier liegt sogar der höchste Berg der Karpaten, der Gerlachkovky Stit. Die Hohe Tatra war schon zu Zeiten des Sozialismus ein beliebtes Reiseziel für Wanderer und Skifahrer und ist es immer noch. Überall hat die Tourismusindustrie die Natur verändert und die Orte sowieso. Aber die Menschen sind auf Zack: Wegen eines nicht gezogenen 6 Euro-Parktickets wird Josi stillgelegt. Nach einem langen Regentag, an dem ich ohnehin nicht weitergefahren wäre, rufe ich die Polizei an und kann Josi aus der Gefangenschaft des Sozialismus befreien. Der nette Polizist erlässt mir sogar die 60 Euro Strafe.
Über unmarkierte, kurvige Straßen geht es dann durch dichte Wälder, Wasserdampf steigt aus Bäumen, während Lichtstrahlen durch die Bäume brechen. Mit dem sprichwörtlichen Dauergrinsen im Gesicht lasse ich Autos überholen, um die Fahrt zu genießen und jederzeit zum Staunen oder für ein Foto anhalten zu können. In einer ungarischen ESSO-Truckerdusche mache ich mich frisch für die Durchfahrt durch Ungarn und die Ankunft in Rumänien. Am ungarisch-rumänischen Grenzübergang sehe ich dann tatsächlich den ersten Straßenhund – irgendjemand scheint dafür zu sorgen, dass die Klischees erfüllt werden.

 


Die Maramures sind eine kleine, zur Hälfte gebirgige Region im Nordwesten Rumäniens und ländlich geprägt. Das bedeutet hier, dass tatsächlich die Familien das Heu zusammenharken, dass immer wieder Pferdefuhrwerke – manchmal mit einem störrischen Kalb im Schlepptau – auf der Straße unterwegs sind, dass Melonen, Pflaumen, Kartoffeln und vieles mehr aus dem eigenen Garten oder aus Gemeinschaften am Straßenrand verkauft werden. Wer Glück hat (ich!), bekommt von Danina und Bogdan ein Glas Palinka, selbst gebrannten Pflaumenschnaps, eingeschenkt von der 1,5l-Plastikflasche in Uromas Kristallgläschen. Holla, das Zeug brennt! Aber das Fahren, insbesondere auf kaputten Straßen, geht so sehr viel geschmeidiger.

 


Überhaupt: die Straßen. Die großen Hauptstraßen sind anständig asphaltiert. Für die kleineren Hauptstraßen gilt das nicht mehr zwingend, und für die kleineren Nebenstraßen schon mal gar nicht. Die bestehen entweder aus Pflastersteinen oder aus aufgerissenem Asphalt, in dem die Schlaglöcher sich zu langen Kratern verbunden haben. Oder es sind Sand-Schotter-Wege, die mit jedem Offroad-Parcours mithalten können. Ich bin heilfroh, dass ich mich auf mein Wilbers-Fahrwerk verlassen und meine Konzentration auf die Meter vor mir richten kann. Einige dieser Straßen enden nach vielen Kilometern tief am Wald vor verfallenen Häusern, in denen ich mir ohne Probleme die verwahrlosten Kinderheime vorstellen kann, die zu Wendezeiten entdeckt wurden.

 


Ich folge den Karpaten im Uhrzeigersinn, überquere ihre Höhenzüge dabei mehrfach über unterschiedliche Pässe. Die Dichte der Wälder ist unfassbar – ich glaube unbesehen, dass dort neben Bären auch Waldgeister hausen. Ein Highlight markiert das Ende meiner Karpaten-Tour: die Transfăgărășan. Die 117 Kilometer lange Passstraße ist die reine Kurvenfreude – und der beste Abschluss für meine Reise.

 

Eva Strehler - Motorradreise-Autorin

"Hin und weg - als Motorrad-Vagabundin durch die USA"
Reisebericht mit 309 Seiten und 67 Farbfotos. 17,95 Euro - Bestellung via E-Mail

 

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